Pyramiden von Meroe
Shendi, Sudan
Die Pyramiden von Meroe üben eine magische Anziehungskraft aus. Über vierzig Königinnen und Könige fanden hier eine Ruhestätte für die Ewigkeit. Mitten in der Wüste erheben sich, weithin sichtbar, die gigantischen Monumente von Meroe. Architektur und Geometrie, Licht und Schatten, Symbol und Macht, Mensch und Gott bestimmen das Spannungsfeld der antiken Nekropole.
Die Totenstadt der schwarzen Pharaonen
Zweihundert Kilometer nordöstlich der sudanesischen Hauptstadt Khartoum finden sich die erhalten gebliebenen Grabstätten und Pyramiden von Meroe. Pianchi (Pije) war der erste nubische Herrscher, der sich, stark vom ägyptischen Glauben beeinflusst und fasziniert vom ewigen Leben nach dem Tod, in einer Pyramide in El Kurru bestatten liess. Mit der Ausdehnung des Reiches, verlagerte sich das Machtzentrum. Um 300 vor Christus begannen die nubischen Herrscher ihre Grabstätten nahe der neuen Residenz Meroe anzulegen.
Die erste Pyramide hier liess der sagenhafte Ergamenes errichten. Osiris, Isis und Anubis wachen seitdem über die Pyramiden von Meroe und sorgen für ihre Bewohner. Manche Hieroglyphen wirken frisch, wie am Tag ihrer Entstehung. Noch heute spürt der Reisende die Macht der Götter und legendären Herrscher des Reiches von Kusch. Die Pyramiden von Meroe umgibt ein magisches Feld. Der Kraftort strahlt auch in der Gegenwart und bildet eine energetische Brücke zwischen Dies- und Jenseits.
Himmel und Erde sind verbunden
Wer vor dem Totengericht des Osiris, dem „Sitz des Auges“, besteht, erhält das ewige Leben. So war es in Ägypten, so war es auch im Lande Kusch. Die Pyramiden von Meroe weisen spitzwinklig zum Himmel hinauf. So gelangt die Seele des Herrschers mit Hilfe der Sonnen oder Sternenstrahlen hinauf und hinab. Die Grabbeigaben und Opferspeisen sind dem Pharao zugänglich. Für ihn gibt es keine Trennung zwischen Himmel und Erde mehr. Er selbst wird zum Gott.
Der Aufbau der Pyramide entspricht ihrer Funktion: Unter den etwa dreissig Meter hohen Bauten befinden sich die Grabkammern, vor den Pyramiden die reich verzierten, aus dem irdischen und folgenden Leben des Verstorbenen erzählenden Totentempel. Die Opfergaben, im Tempel dar gebracht, dienen der Kommunikation mit dem vergöttlichten Verstorbenen. Die Pyramiden von Meroe sind ein im Wüstensand bewahrtes Zentrum einst lebendiger, kultischer Handlungen und begründen einen Kraftort, dessen Wirkung bis in die Gegenwart spürbar ist.
Tod, Magie und Wiedergeburt
Die Pyramiden von Meroe zeugen von hohem medizinischem, architektonischem und spirituellem Wissen der Nubier. Die Verbindung von Recht, körperlicher Unversehrtheit und einer Wiedergeburt zum ewigen Leben mit schrittweiser Vergöttlichung findet sich in der von den Ägyptern übernommenen Trias von Osiris, Anubis und Isis. Eine allmähliche Abkehr vom ägyptischen Vorbild wird deutlich: Die Darstellungen werden afrikanischer, hellenistische Elemente werden aufgenommen, die Pyramiden sind deutlich kleiner und in steilerem Seitenwinkel erbaut. Gleichzeitig kommt es zu einer kultischen Weiterentwicklung. Der afrikanische Arensnuphis geht in Osiris auf. Die Glaubensvorstellungen verschmelzen und finden sichtbar im Eigentlichen, heute noch Spürbaren zusammen.
Der Tod wird nicht irdisch begrenzt, sondern, nach einer göttlichen Prüfung, aufgehoben. Die hundsköpfige Anubis wacht über den Körper und seinen Gesundheitszustand in der Ewigkeit. Isis, die Göttin der Wiedergeburt und Magie, leitet die Seele nach dem Tod und führt sie in das Weiterleben ein. Die Nekropole ist ein Ort der Toten und der Lebenden, die so einen Weg der Verständigung mit der anderen Welt finden. Der suggestiven Wirkung der Pyramiden von Meroe kann man sich nicht entziehen. Ein Zauber geht von den gigantischen Bauten aus und lässt die Totenstadt zu einem starken Kraftort werden, dessen Energien einen nachhaltig umfangen.